Leserzuschrift zu "20% der Medikamente sind überflüssig"

Dr. Norbert Sijben15.Oct.2002
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15.10.2002

Betreff: Leserzuschrift zu
"20 Prozent der Arzneien sind überflüssig"
Auf der Titelseite der Neuß-Grevenbroicher Zeitung/ Rheinische Post vom 15.10.02

In der Tat bestanden in den vergangenen Jahren bei den Medikamenten noch Wirtschaftlichkeitsreserven.
Jedoch hat seit 2002 der Druck zum Sparen inzwischen eine Schmerzgrenze erreicht, die unsere ethische Grundeinstellung bedroht, insbesondere, wenn wir Ärzte moderne Medizin praktizieren wollen, die dem Stand der Wissenschaft entspricht. Das gilt zumindest im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Erreicht wird dies durch intensive Pharmakotherapieberatungen der Ärzte und auch durch Prüfungen und Bestrafungen durch Regresse, die Ärzte existentiell gefährden können, was folgendes Beispiel deutlich machen soll:
Jeder Arzt bekommt ein individuelles Budget für die Medikamente aller seiner Patienten vorgegeben. Überschreitet er dies, kommt er in eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und haftet ggf. mit seinem eigenem Vermögen.
So ist mir z.B. ein Arzt bekannt, der viele Schmerzpatienten und Krebskranke betreut, die bekanntlich sehr kostenintensiv sind.
Er ist von einem Regreß von ca. 50.000 Euro bedroht und das für die Verordnung nur eines Jahres.
Wir Ärzte empfinden den Vorschlag von AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens als niederträchtig, ein Gesamtbudget für Arzneiausgaben und Honorar zu bilden, als dessen Folge die Ärzte mehr verdienen könnten, wenn sie noch weiter bei den Medikamenten sparten.
Längst sind die meisten Originalpräparate durch preiswertere Generika ausgetauscht worden.
Medikamente mit zweifelhafter Wirksamkeit oder mit nicht nachgewiesenem Nutzen werden nicht mehr zu Lasten der Solidargemeinschaft verordnet.
Will der AOK-Chef Ärzte in Versuchung bringen, ihr eigenes Honorar zu verbessern auf Kosten notwendiger Medikamente für Patienten? Und sie später gar noch vorführen und in Mißkredit zu bringen?
Dieser Vorschlag ist ein unheilvoller Vorschlag; er führt dazu, dass das bisher noch gute Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstört werden kann.





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